Hintergrund

Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag:

“Galle gutartig – Die 10 gröbsten Fehler in der Chirurgie der Gallenblase”

Gehalten habe ich (Prof. Burkhard von Rahden) diesen Vortrag auf dem Fortbildungskongress “Chirurgie Compact” für erfahrene und junge Chirurgen am 29. – 30. November 2019 im Kongresszentrum in Salzburg.

Da die Chirurgie bei gutartigen Gallenblasenerkrankungen ein sehr alltägliches Thema für fast alle Chirurgen ist, und praktisch jeder ein Fachmann auf diesem Gebiet ist, habe ich den Vortrag auf dem berühmten Zitat des deutschen Physikers und Nobelpreisträger Werner Heisenberg (1901 – 1976) aufgebaut:

„Ein Fachmann ist ein Mann, der einige der gröbsten Fehler kennt, die man in dem betreffenden Fach machen kann und der sie deshalb zu vermeiden versteht.“

Ich habe also versucht nach diesen gröbsten Fehlern zu suchen, bzw. den heute gut etablierten Strategien zu ihrer Vermeidung.

Im Wesentlichen geht es hierbei um

  • die Indikationen (Warum die Gallenblase entfernen?),
  • den Operationszeitpunkt (Wann die Gallenblasse entfernen?) und
  • worauf muss man bei der Chirurgie der Gallenblase besonders achten muss (Komplikationsvermeidung/ Komplikationsmanagement).
Besondere komplizierte Form des Gallenssteinleidens mit Kompression des Gallenganges (sog. Mirizzi-Syndrom)

Im Folgenden adressiere ich hier einige wichtige, immer wieder von Patienten gestellte Fragen:

Mir wurde die Entfernung meiner Gallenblase empfohlen – Ist das wirklich erforderlich?

„Man soll die Blase exstirpieren nicht weil sie Steine enthält, sondern weil sie Steine bildet!“


Carl Johann August Langenbuch
(1846 bis 1901)

Dieses berühmte Zitat des deutschen Chirurgen Carl Johann August Langenbuch (1846 bis 1901) der am am 15. Juni 1882 in Berlin die erste Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) bei einem 43jährigen Pat. mit „Gallenkolik“ durchgeführt hat, hat bis heute Gültigkeit. Bei rezidivierenden (wiederholt auftretenden) Beschwerden, die durch Gallensteine ausgelöst werden, entfernt man die Gallenblase. Der Grund hierfür ist, dass die Gallenblase der Ort der Steinbildung ist.

Das Krankheitsbild bezeichnet man als “Symptomatische Cholezystolithiasis”

Warum kann man Gallensteine nicht zertrümmern?

Die Stosswellenlithotripsie, wie sie beim Nierensteinleiden erfolgreich verwendet wird, ist auch bei Gallenssteinen versucht worden. Leider mit wenig Erfolg. Die kleinen Konkremente (Steinfragmente) der zertümmerten Gallensteine führen nämlich zu starken Koliken. Problematisch ist auch, dass sich der Durchfluss in der Gallenblase nicht erhöhen lässt. Anders als bei der Niere, wo sich durch Erhöhung der Diurese (Harnausscheidung) der Fluss erhöhen lässt und die Steintrümmer so herausgespült werden können. Aus diesen Gründen sind bei der Gallenblase weiterhin nicht die Steine der Fokus der Behandlung, sondern die Gallenblase selbst. Die Gallenblasse muss entfernt werden um den Bildungsort der Steine zu entfernen.

Ist die Entfernung der Gallenblase völlig ungefährlich?

Wenn Sie auf Webseiten von Chirurgen etwas lesen (O-Ton):

“Die operative Entfernung der Gallenblase … ist heute ein an sich harmloser Routineeingriff …”

wird hier verschwiegen, dass auch die Gallenblasenentfernung Risiken birgt, die nur durch eine sehr subtile Sicherheits-Chirurgie-Technik zu beherrschen ist.

Das größte Risiko in der Chirurgie der Gallenblase ist die Verletzung des Haupt-Gallenganges. Dies kann durch die bei der Präparation durchaus geschehen und ist nur mit einer komplexen chirurgischen Maßnahm zu korrigieren.

Zur Vermeidung der Gallengangssverletzung ist eine spezielle Sicherheits-Technik (Fachbegriff: “Critical View of Saftety” – der “Kritische Sicherheitsblick” nach Strasberg) zu empfehlen, die allerdings noch bei Weitem nicht von jedem Chirurgen verwendet wird. Aus diesem Grunde propagiert die amerikanische Fachgesellschaft S.A.G.E.S auf eigens hierfür eingerichteten Internetseiten (SAGES Safe Cholexstectomy Program).

Welches sind die Indikationen (Gründe) für die Gallenblasenoperation?

Es gibt eine Reihe von Indikationen (die OP rechtfertigende Gründe) für die Gallenblasenoperation:

Symptomatische Gallenblasensteine (Symptomatische Cholezystolithaisis)

Das symptomatische Gallensteinleiden kann sich mit kolikartigen Schmerzen äußern (2/3) oder Dauerschmerzen (1/3).

Akute Gallenblasenentzündung (Akute Cholezystitis)

Maximalformen der akuten Gallenblasenentzündung sind das Gallenblasenempyem – mit Eiteranssammlung in der Gallenblase – und die Gallenblasennekrose/gangrän – mit Untergang der Gallenblasenwand und meist mit Gallenblasenerforation (Durchbruch)

Chronische Gallenblasenentzündung (Chronische Choklezystitis)

wird oft im Rahmen der OP wegen symptomatischer Gallenblassensteine als Zufallsbefund diagnostiziert

Kompliziertes Gallensteinleiden

Vom komplizierten Gallensteinleiden spricht man dann, wenn Gallensteine durch den Gallengang abrutschen und entweder den Gallengang verstopfen (Choledocholithasis) oder den gemeinsam dort mündenden Bauchspeicheldrüsengang verschliessen (Gallenstein-bedingte Bauchspeicheldrüsenentzündung, biliäre Pankreatitis).

Bei diesen Erkrankungen saniert man heute zunächst den Gallengang. Hierzu ist das endoskopische Verfahren ERCP (=Endoskopisch Retorgrade Cholangio Pancreaticographie) etabliert. Im zweiten Schritt muss dann zwingend auch wiederum die Cholezystektomie erfolgen.

Was ist der optimale Operationszeitpunkt?

Die Frage, ob die Operation bei der akuten Gallenblasentzündung sofort (als Notfall) oder nach Antibiotika-Vorbehandlung (im entzündungsfreien Intervall) erfolgen soll, ist in der Heidelberger AC/DC-Studie (Gutt et al., 2013, Ann Surg) untersucht worden. Die Studie hat gut belegt, dass die Patienten von der frühzeitigen Notfall-OP profitieren. Hierbei gibt es weniger Komplikationen

Die analoge Frage bei der biliären Pankreatitis hat der sogenannte PONCHO-Trial aus den Niederlanden beantwortet (da Costa et al., 2015, Lancet): 266 Patienten waren hier zur Gallenblasenentfernung im Intervall (n=137) oder zur Gallenblasenentfernung im gleichen Aufenthalt (1-3 Tage) (n=129) randomisiert (zugelost) worden. Auch hier zeigte sich eindeutig der Vorteil für den frühzeitigeren Eingriff.

Welches Operationsverfahren wird bei welchem Patienten angewendet?

Die Gallenblase ist das otimale Organ für die minimal-invasive Operation (Schlüssellochchirurgie), durch ihre ideale Lage und damit gute Darstellbarkeit mit einer in den Bauchraum eingebrachten Kamera. Aus diesem Grunde hat sich die sog. Laparoskopische Cholezystektomie durchgesetzt.

Gelegentlich ist bei schweren Gallenblasenentzündungen und deren Maximalkomplikationen (Empyem, Gangrän, Nekrose, Perforation) und (sehr selten) bei schwieriger Anatomie noch die offene Cholezystektomie über einen Rippenbogenrandschnitt.

Eine Spielart, bzw. Weiterentwicklung der laparoskopischen Cholezystektomie ist die Roboter-(DaVinci)-assistierte laparoskopische Cholezystektomie, die derzeit häufig in der Universitätsklinik für Chirurgie der Salzburger Landesklinik (SALK) durchgeführt wird. Die Vorteile der Roboterchirurgie kommen hier zum Tragen

  • Gute Sicht
  • Stabile wackelfreie Kameraführung
  • Bequemes ermüdungsfreies Operieren im Sitzen
  • Akribische Präparation durch Abwinkelbarkeit der Instrumente

Eindeutige Vorteile für den Patienten wurden (wie für die gesamte Roboterchirurgie) noch nicht herausgearbeitet. Trotzdem liegt die Hoffnung in dieser Methode, dass das Verfahren die Zukunft der Chirurgie darstellen könnte, was allerdings durchaus kritisch diskutiert werden kann.

Literatur/ Referenzen

  • Gutt C, Jenssen C, Barreiros AP, et al. (2018) Aktualisierte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. Z Gastroenterol. 2018 Aug;56(8):912-966. doi: 10.1055/a-0644-2972. [PubMed] [Volltext zum Download]
  • Gutt CN, Encke J, Köninger J, et al. (2013) Acute cholecystitis: early versus delayed cholecystectomy, a multicenter randomized trial (ACDC study, NCT00447304). Ann Surg 258(3):385-93. doi: 10.1097/SLA.0b013e3182a1599b. [PubMed]
  • da Costa DW, Bouwense SA, Schepers NJ, et al.; Dutch Pancreatitis Study Group. Same-admission versus interval cholecystectomy for mild gallstone pancreatitis (PONCHO): a multicentre randomised controlled trial. Lancet. 2015 Sep 26;386(10000):1261-1268. [PubMed]