Der Chirurg ist oft auch in die Operationen beim Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) involviert, dann nämlich, wenn eine Aussaat des Tumors in die Bauchhöhe stattgehabt hat (Peritonealkarzinose).

Eigentlich wird eine Peritonealkarzinose, bei der in die Bauchhöhle ausgesäte Tumorzellen als Tumorknoten am Bauchfell wachsen, als “systemische Erkankung” angesehen. Das heißt, man muss davon ausgehen, dass der Tumor bereits in das ganze System des menschlichen Körpers (“systemisch”) gestreut hat. Das bedeutet dann auch, dass zur Therapie eher eine systemische Maßnahme (Chemotherapie) durchgeführt werden muss. Aus diesem Grunde reichen hier lokale Maßnahmen, wie Operation oder Bestrahlung nicht aus.

Allerdings hat die Medizin in den letzten Jahrzehnten gelernt, dass bei bestimmten Tumoren trotzdem eine lokale Behandlung einer Peritonealkarzinose sinnvoll sein kann. Dies ist insbesondere für die Peritonealkarzinose beim Dickdarmkrebs (Kolonkarzinom), aber auch für den Einerstockkrebs (Ovarialkarzinom) untersucht worden.

Drei lokale Therapieprinzipien gegen Peritonealkarzinose

Für die lokale Behandlung einer Peritonealkarzinose stehen 3 Prinzipien zur Verfügung:

  • die lokale operative Entfernung von Tumorknoten in der Bauchhöhle – man spricht auch von “Zytoreduktion“, also der chirurgischen Reduzierung der Last an Tumorzellen
  • die Gabe von Chemotherapie lokal in die Bauchhöhle
  • die lokale Hyperthermie (42 Grad Celsius)

Die theoretischen großen Vorteile der Gabe der Chemotherapie lokal in die Bauchhöhle – im Vergleich zur systemischen Chemotherapie (über eine Vene in das Blutsystem) sind

  • die verminderte Toxizität (weniger systemische Nebenwirkungen durch die Chemotherapie)
  • die verbesserte Wirkung direkt lokale an dem tumorbefallenen Organ

Die aktuelle Kombination der genannten Therapieprinzipien nennt man Zytoreduktion + HIPEC. Das heißt Hypertherme intraperitoneale Chemotherapie. Beim dem Opertionsverfahren wird also zunächst eine genaue chirurgische Exploration (Untersuchung der Bauchhöhle) über einen Bauchschnitt durchgeführt. Hierbei wird das Ausmaß und die genaue Lokalisation der Peritonealkarzinose ermittelt. Davon hängt ab, ob alle Tumorknoten, das gesamte tumorbefallene Bauchfell und ggf. tumorbefallene Organe entfernt werden können. Voraussetzung für die HIPEC ist nämlich dies Tumorfreiheit der Bauchhöhle – zumindest sichtbarer Tumorknoten dürfen nicht belassen werden.

Anschließend wird dann die Bauchhöhle über Drainagen mit den auf 42 Grad Celsius aufgeheizten Chemotherapeutika gespült. Diese Perfusion der Bauchhöhle erfolgt mit der “HIPEC-Maschine”.

Neue höchstrangige Studie zur HIPEC beim Ovarialkarzinom

Es gibt jetzt eine neue, höchstrangig in der besten medizinischen Zeitschrift (New England Journal of Medicine), publizierte Studie zur HIPEC bei Peritonealkarzinose beim Ovarialkarzinom (van Driel et al., 2018). In dieser Studie aus den Niederlanden wird eine Verbesserung des Überlebens durch eine HIPEC aufgezeigt.

Patienten und Methoden

Die Studie war zwischen April 2007 und April 2016 multizentrisch an 8 Kliniken in den Niederlanden durchgeführt worden. Das Design der Studie war prospektiv randomisiert, das heißt die Zuteilung der Patientinnen zu den Studiengruppen war per Losverfahren erfolgt und die Daten nach zuvor klar definierten Fragestellungen erfasst worden.

In beiden Gruppen erhielten die Patientinnen zunächst 3 Zyklen einer Chemotherapie (mit den Substanzen Carboplatin und Paclitaxel). Dann erfolgte bei stabiler Erkrankung (kein Fortschreiten der Tumors) die Operation mit Zytoreduktion.

Intraoperativ waren die Patientinnen dann per Los den Gruppen zugeteilt worden:

Gruppe A: Operative Zytoreduktion allein

Gruppe B: Operative Zytoreduktion + HIPEC (Chemotherapeutikum: Cisplatin)

Nach der Operation wurde dann bei beiden Gruppen die Standard systemische Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel fortgesetzt.

Primärer Endpunkt der Studie – also der Hauptparameter, der untersucht werden sollte – war das

  • sog. Rezidiv-freie Überleben (Verlängert die HIPED die Zeit, in der die Patientin tumorfrei ist?)

Sekundäre Endpunkte der Studie waren

  • das Gesamtüberleben (Wird durch die HIPEC das Überleben der Patientinnen insgesamt verlängert?)
  • die Nebenwirkungen/ Komplikationen (Kommte es durch die HIPEC zu mehr schweren Nebenwirkungen und Komplikationen?)

Ergebnisse der HIPEC Studie beim Ovarialkarzinom

In der Studie wurde gezeigt, dass die zusätzliche HIPEC das Rezidiv-freie Überleben verlängerte. Das heißt mehr Patientinnen waren in dieser Gruppe zum Zeitpunkt der Nachbeobachtung noch tumorfrei.

Auch das Gesamtüberleben war in der HIPEC-Gruppe länger als in der Gruppe ohne HIPEC.

Die Rate an Komplikationen waren in beiden Gruppen gleich. Das heißt durch die HIPEC wurden nicht mehr Komplikationen produziert.

Kritische Diskussion der Studie

Die Studie wurde und wird weiter in Fachkreisen heiß diskutiert. Verschiedene sehr differenzierte Stellungnahmen von Experten liegen in veröffentlichter Form vor. Beide sehen die Ergebnisse als sehr vielversprechend an, fordern aber weitere Studien, bevor die in der Studie untersuchten Behandlungsstrategien mit Chemotherapie und HIPEC zum allgemeinen Standard erklärt werden können (Spriggs & Zivanovic, 2018, New Engl J Med; Vergote et al., 2019, J Clin Oncol).

Was können betroffene Patientinnen mit Ovarialkarzinom und Peritonealkarzinose tun?

In unserem heutigen Informationszeitalter, mit dem zunehmenden Bedürfnis vieler Patientinnen und Patienten die vorgeschlagene Therapie zu verstehen und die aktuell bestmöglichen Behandlungsoptionen zu erhalten, ist es empfehlenswert Zweitmeinungen von unabhängigen Experten einzuholen.

Informationen aus dem Internet allein reichen meist nicht aus, um als Laie zu verstehen, was aktuell als Standard angeboten wird und welche neuen Therapiestrategien aus Studien vielversprechend sind, aber noch nicht in die klinische Praxis Eingang gefunden haben.

Eine sehr gute Möglichkeit eine vielversprechende neue Therapieoption zu erhalten ist immer die Teilnahme an einer Studie. Fragen Sie in Zentren, ob Studienteilnahmen angeboten werden!

Den richtigen Ansprechpartner finden

Besonders schwierig kann es bei Tumoren wie dem Ovarialkarzinom sein den jeweils richtigen Ansprechpartner zu finden. Behandlungsführend sind zumeist die Gynäkologen, die bei diesen Tumoren oft auch die onkologischen Behandlungen (Chemotherapie) selbst durchführen. Ansonsten sind natürlich die Onkologen mit den soliden Tumoren beschäftigt und haben einen exzellenten Überblick über die Datenlage zu den aktuellen Therapieverfahren bei verschiedensten Tumoren. Schließlich gibt es noch die Chirurgen, die beim hier diskutierten Befall des Bauchfells, mit zum Teil Beteiligung anderer innerer Organe, involviert werden. Spezialisierte Viszeralchirurgen sind es dann auch, die die HIPEC Methode anbieten, deren Stellenwert beim Ovarialkarzinom nach Meinung von Experten (Spriggs & Zivanovic, 2018, New Engl J Med; Vergote et al., 2019, J Clin Oncol) weiter untersucht werden sollte und in der zitierten höchstrangigst publizierten Studie sehr vielversprechende Ergebnisse gezeigt hat (van Driel et al., 2019, New Engl J Med).

Literatur

  • van Driel WJ, Koole SN, Sikorska et al. (2018) Hyperthermic Intraperitoneal Chemotherapy in Ovarian Cancer. N Engl J Med 378: 230-240. doi: 10.1056/NEJMoa1708618. PMID: 29342393 [PubMed] [Frei zum Download verfügbarer Volltext]
  • Spriggs DR, Oliver Zivanovic O (2018) Ovarian Cancer Treatment – Are We Getting Warmer? N Engl J Med 378(3):293-294. doi: 10.1056/NEJMe1714556. [PubMed] [Volltext]
  • Vergote I, Harter P, Chiva L (2019) Is There a Role for Intraperitoneal Chemotherapy, Including HIPEC, in the Management of Ovarian Cancer? J Clin Oncol. 2019 Sep 20;37(27):2420-2423. doi: 10.1200/JCO.19.00091. Epub 2019 Aug 12. [PubMed] [Frei verfügbarer Volltext]