Hintergrund
Dieser Artikel basiert auf einem eingeladenen Vortrag / Podiumsdiskussion von mir (Prof. Burkhard von Rahden) auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und bildgebende Verfahren (DGE-BV) in München am 17. März 2011
- “Zervikale Myotomie und Divertikelresektion: Der aktuelle Standard?”
Hier wurde die Frage diskutiert, ob das Zenker Divertikel besser
- endoskopisch, interventionell, mit dem Endoskop durch den Mund (“transoral”) oder
- chirurgisch, über einen Schnitt am Hals, abgetragen werden sollte (“offen chirurgisch”)
Das Krankheitsbild: Symptome & Befunde
Typisch für das Zenker-Divertikel ist eine sogenannte “cervikale Dysphagie”, das heißt Schluckbeschwerden, die beim Anschluckvorgang im Halsbereich verspürt werden.
Pathophysiologie: Was passiert bei diesem Krankheitsbild?
Die Ursache für das Zenker-Divertikel ist eine Funktionsstörung des oberen Speiseröhrenschließmuskels. Mit anderen Worten der Eingang zur Speiseröhre öffnet nicht richtig. Weiter kommt es dann zur Druckerhöhung im Rachenraum. Weil es aber bei vielen Menschen (anatomisch) ein muskelschwaches Dreieck oberhalb dieses nicht öffnenden Schließmuskels gibt (sog. Kiliann-Dreieck), kann sich dann die Schleimhaut ausstülpen. Diesen Schleimhautsack nennt man Zenker-Divertikel. Eine andere Bezeichnung ist auch Hypopharynx-Divertikel, da es unterhalb (“hypo”) des Rachenraumes (Pharynx) gelegen ist.
Folglich landen auch geschluckte Speisen in diesem Divertikelsack. Typischerweise berichten die Patienten auch, dass nachts Speisereste aufgestossen (regurgitiert) werden und dann auf dem Kopfkissen landen.
Ein weiteres Problem des Zenker-Divertikels, dass Medikamente, die die zumeist älteren Patienten schlucken, nicht in den Magen gelangen und stattdessen im Divertikelsack verweilen. Demzufolge ist die Biopverfügbarkeit dieser Medikamente gestört – die Wirkstoffe werden nicht aufgenommen.
Hypothese: Reflux Ursache des Zenker-Divertikels
Einer Hypothese gemäß könnte das Zenker-Divertikel ursächlich durch eine zugrundeliegende gastroösophageale Refluxkrankheit bedingt sein. Führt man bei Patienten mit einem Zenker-Divertikel eine Funktionsdiagnostik der Speiseröhre durch, findet man oft einen Reflux.
Dies könnte bedeuten, dass der bei der Zenker-Divertikel-Erkrankung zu stark kontrahierende obere Speiseröhrenschließmuskel einen Schutzmechanismus gegen aufsteigende Magensäure darstellt. Anders ausgedrückt schütz sich der Körper dieser Vorstellung entsprechend gegen die aufsteigende Magensäure und schützt sich gegen die Aspiration (Einatmen von Material, Speisen/ Flüssigkeiten/ Säure) in die Lunge.
Diesem Verständnis entsprechend sollte man bei diesen Patienten ggf. auch zunächst eine Operation gegen Reflux durchführen, bevor dann das Zenker-Divertikel angegangen wird. Sonst könnte es sich negativ für den Patienten auswirken, wenn ihm der vom Körper gewollte Aspirationsschutz genommen wird.
Therapieprinzip
Das Prinzip der Behandlung ist – dem oben geschildertem Krankheitsmechanismus entsprechend – die Schwächung des nicht richtig funktionierenden oberen Speiseröhrenschließmuskels. Der Muskel wird gespalten, was als Myotomie bezeichnet wird.
Chirurgische Myotomie & Divertikelabtragung
Bei der offenen Operation wird diese Muskelspaltung über einen kleinen (ca. 5 – 6cm) Schnitt am Hals durchgeführt. Weiter wird dann bei dem offenen Eingriff noch das Divertikel abgetragen (Divertikulektomie). Alternativ kann das Divertikel auch nur vor der Wirbelsäule heraufgenäht werden (Divertikulopexie), so dass es funktionell ausgeschaltet ist.
Endoskopische transorale Behandlung
Bei der endoskopische Behandlung erfolgt der Eingriff durch den Mund. Auf diesem Wege ist das Divertikel, und die Schwelle, an der das Divertikel enststanden ist meistens gut einzustellen. Bei guter Sicht wird dann lediglich diese Schwelle durchtrennt, weshalb dieser eingriff auch als “Transorale Schwellenspaltung” bezeichnet wird.
Eine Abtragung des Divertikels erfolgt allerdings bei diesem Eingriff nicht. Der Divertikelsack bleibt an Ort und Stelle. Allerdings wird die Schluckfunktion verbessert, dadurch, dass der ursächliche zu strak kontrahierende Schließmusel durchtrennt wird.
Kritische Diskussion zum Vergleich der beiden Verfahren
Die Datenlage ist nicht besonders gut. Insbesondere gibt es keine direkt die offenen mit den endoskopische Verfahren vergleichenden Arbeiten.
Insgesamt scheint aber nach Datenlage die offene Divertikelabtragung doch etwas den endoskopischen Verfahren mit reiner “Schwellendurchtrennung” und belassen des Divertikels funktionell überlegen zu sein.
Auch wenn bei der offenen Operation ein kleiner Schnitt am Hals erforderlich, ist dies doch ein sehr schonender Eingriff.
Als spezifisches Risiko hierbei ist allerdings die mögliche Verletzung des Stimmbandnerven (Recurrens) ähnlich wie in der Schilddrüsenchirurgie zu nenen, was allerdings bei anatomisch korrektem Vorgehen (orientiert an der Divertikelwand) selten ist.
Literatur
- Howell RJ, Giliberto JP, Harmon J, Masch J, Khosla S, Postma GN, Meinzen-Derr J. Open Versus Endoscopic Surgery of Zenker’s Diverticula: A Systematic Review and Meta-analysis. Dysphagia. 2019 Dec;34(6):930-938. doi: 10.1007/s00455-019-09994-9. Epub 2019 Mar 12. [PubMed]
- Gutschow CA, Hamoir M, Rombaux P, Otte JB, Goncette L, Collard JM. Management of pharyngoesophageal (Zenker’s) diverticulum: which technique? Ann Thorac Surg. 2002 Nov;74(5):1677-82; discussion 1682-3. [PubMed]