Was ist ein “Barrett-Ösophagus”?
Als “Barrett-Ösophagus” wird eine Schleimhautveränderung in der unteren Speiseröhre bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Krebsvorstufe (sogenannte ‘Präkanzerose’) einer bestimmen Form von Speiseröhrenkrebs (Adenokarzinom).
Als Folge des chronisch schädigenden Effektes von Reflux, durch Aufsteigen von (saurem) Magensaft aus dem Magen in die Speiseröhre kann dort der Barrett und darin dann das Adenokarzinom entstehen. Das heißt der Barrett ist die Vorstufe dieses Tumors.
Für diesen Tumor war in den zurückliegenden Jahrzehnten in der westlichen Welt ein überproportionale Anstieg der Inzidenz (Neuauftreten) zu verzeichnen.
Allerdings ist das Risiko bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus an einem Adenokarzinom zu erkranken wesentlich geringer als ehemals angenommen.
Wie hoch ist das Risiko der Krebsentstehung im Barrett?
In einer 2011 in der höchstrangigsten medizinischen Zeitschrift New England Journal of Medicine publizierten Arbeit (Hvid-Jensen et al., 2011) wurde anhand von Bevölkerungs-basierten Daten in Schweden gezeigt, dass die jählriche Inzidenz (=Neuauftreten) eines Adenokarzinoms der Speiseröhre bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus nur 0,12% beträgt .
In diesem Sinne stimmt auch die in den Lehrbüchern immer noch zu findende 10er-Regel stimmt nicht. Diese Regel hatte besagt, dass 10% der Patienten mit Refluxbeschwerden einen Barrett-Ösophagus entwicklen und wieder 10% der Patienten mit Barrett ein Karzinom. Die Karzinomentstehung im Barrett ist wesentlich seltener.
Endoskopische Barrett-Überwachung
Aktuelle Leitlinien empfehlen einen Barrett endoskopisch zu überwachen (engl. Fachbegriff: ‘Barrett Surveillance’). Die bedeutet, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Spiegelung von Speiseröhre und Magen durchgeführt wird und Proben aus dem Barrett entnommen werden.
Leitliniengerechtes Biopsie-Protokoll
Dier Biopsienahme erfordert allerdings Erfahrung und gutes Endoskopie-Equipment. Oft wird nicht leitliniengerecht vorgegangen. Meist werden zu wenige Proben entnommen, so dass eigentlich keine repräsentative Probe besteht!
Die Biopsienahme soll alle 1 bis 2 Zentimeter über die gesamte Länge des Barrett aus allen 4 Quadranten erfolgen. Zusätzlich soll aus makroskopisch auffällige (sichtbar verdächtigen) Läsionen.
Indexdiagnostik (erste Diagnostik nach Diagnosestellung) entscheidend
Wie oben bereits ausgeführt ist die Indexdiagnostik (=die erste Diagnostik nach Diagnosestellung) entscheidend. Demzufolge soll nach Neudiagnose eines Barrett die Wiederholung der Endoskopie in den ersten 6 bis 12 Monaten erfolgen.
Zusätzlich zur reinen endoskopischen Inspektion verbessern heute spezielle Methoden wie Narrow Band Imaging (NBI) Modus, sowie Magnifikationsendoskopie und Chromoendoskopie (Färbetechniken) die diagnostische Genauigkeit.
Die weiteren Kontrollintervalle, bzw. Therapieimplikationen richten sich nach dem Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung. Genauer gesagt geht es um das Vorliegen sogenannter “Dysplasien”, auch genannt “intraepitheliale Neoplasien”. Hierbei handelt es sich bereits um echte Krebsvorstufen, die allerdings noch keinen invasiven, d.h. in das Gewebe einwachsenden Charakter haben. Letzteres ist das Kriterium für ein sog. “invasives Karzinom”.
Barrett ohne Dysplasie
Wenn der Pathologe keine “intraepitheliale Neoplasie” (nach von der WHO empfohlener Nomenklatur) bzw. “Dysplasie” (nach allgemein üblicher Nomenklatur) beschreibt, reicht die endoskopische Kontrolle nach 3 bis 5 Jahren.
Barrett mit “low grade Dysplasie” (LGD)
Wenn eine “low-grade” (niedringgradige) Dysplasie beschrieben wird, soll innerhalb eines Jahres eine erneute Endoskopie durchgeführt werden.
Barrett mit “high grade Dysplasie” (HGD)
Diese (seltene) Diagnose muss die Behandler in Alarmbereitschaft versetzen, da in 30 bis 50% der Fälle bereits ein simultanes Karzinom vorliegen kann. Das heißt in einem anderen Abschnitt der Barrett-Schleimhaut sind bereits Zellen zum Karzinom fortgeschritten. Früher hat die hochgradige Krebsvorstufe (HGD) bereits zur onkologischen Radikaloperation veranlasst. Heute übernehmen spezialisierte Endoskopiker die Verantwortung für die Patienten und bieten technisch anspruchsvolle Schleimhaut-Resektionstechniken (Endoskopische Mukosaresekion, EMR oder Endoskopisch submuköse Dissektion, ESD) an.
Worauf muss ich besonders achten, wenn bei mir ein Barrett diagnostiziert wurde?
Diese Frage wird an anderer Stelle besprochen.
Literatur/ References
Hvid-Jensen F, Pedersen L, Drewes AM, Sørensen HT, Funch-Jensen P. Incidence of adenocarcinoma among patients with Barrett’s esophagus.
N Engl J Med. 2011 Oct 13;365(15):1375-83. doi: 10.1056/NEJMoa1103042. [Zusammenfassung/ Abstract (englisch)] [Volltext (in englischer Sprache) vr.]
Sharma P, McQuaid K, Dent J, Fennerty MB, Sampliner R, Spechler S, Cameron A, Corley D, Falk G, Goldblum J, Hunter J, Jankowski J, Lundell L, Reid B, Shaheen NJ, Sonnenberg A, Wang K, Weinstein W; AGA Chicago Workshop. A critical review of the diagnosis and management of Barrett’s esophagus: the AGA Chicago Workshop. Gastroenterology. 2004 Jul;127(1):310-30. Review. [Abstract (englisch)]
von Rahden BH, Stein HJ, Siewert JR.Barrett’s esophagus and Barrett’s carcinoma. Curr Oncol Rep. 2003 May;5(3):203-9. Review. [Abstract (englisch)]