Schluckfunktion entscheidend für Lebensqualität

Als Ösophagusmotilitätsstörung (“Speiseröhrenbeweglichkeitsstörung”) bezeichnet man eine abnormale Speiseröhrenmotorik. Das heißt die Kontraktionen der Speiseröhre laufen nicht nach dem als “normal” angesehen Schema ab. Dies kann gänzlich bedeutungslos sein, oder erheblichen Krankheitswert haben und hohen Leidensdruck bei den Patienten erzeugen. Die Schluckfunktion ist ganz entscheidend für die Lebensqualität!

Die Achalasie ist die häufigste dieser seltenen Ösophagusmotilitätsstörungen, mit einer Inzidenz (Neuauftreten) von 1:100.000 Einwohner pro Jahr.

Klassifikation der Ösophagusmotilitätsstörungen (Chicago V3.0)

Für die Einteilung der Ösophagusmotilitätsstörungen hat sich in der klinischen Praxis die sog. Chicago-Klassifikation durchgesetzt (Kahrilas et al., 2015). Diese standardisiert die systematische Analyse der Befunde der hochauflösenden Manometrie .

Infolgedessen wird eine Einteilung in insgesamt 4 Typen der Motilitätsstörungen vorgeschlagen

Chicago Kategorie I: Achalasie

Die Achalasie ist die häufigste der seltenen Speiseröhrenbeweglichkeitsstörungen. Unterschieden werden insgesamt 3 Typen. Für die Achalasie, die ein weiteres Spezialgebiet von mir (Prof. von Rahden) darstellt habe ich ein eigene Internet-Angebot (achalasie.info)

Chicago Kategorie II: Ausflussobstruktion des Speiseröhren-Magen-Überganges

Diese gelegentlich in der hochauflösenden Manometrie zu stellende Diagnose ist etwas problematisch. Einerseits kann es sich bei dem zu dieser Diagnose führenden Messwert um ein Artefakt handeln (Was durch eine spezielle Zusatzuntersuchung zur belegen oder wiederlegen sein kann. Andererseits kann es sich aber auch um die Frühform einer Achalasie handeln (Kategorie I, s.o.)

Chicago Kategorie III: Spezifische Ösophagusmotilitätsstörungen (obligat pathologisch)

Die in der Kategorie III subsumierten Motilitätsstörungen sollen auf jeden Fall Krankeheitswert haben, also “obligat pathologisch” sein

Jackhammer-Ösophagus (Hyperkontraktile Speiseröhre)

Die noch relaltiv neu definierte Diagnose eines “Jackhammer-Ösophagus” (deutsch “Presslufthammer-Speiseröhre”) liegt vor, wenn die Speiseröhre hyperkontraktil ist. Das heißt dass die röhrenförmige Speisröhre zu viel Kontraktionen macht. Besser ausgedrückt kann man sich bildlich vorstellen, dass die Speiseröhre versucht die Speisen “hindurchzuhämmern”. Dabei leiden betroffene Patienten zumeist an Dysphagie und Brustschmerzen. Mit dem POEM-Verfahren steht heute ein zunehmend als Standard akzeptierte Operationsmethode zur Verfügung. Trotzdem sollen natürlich zuvor konservative, die glatte Speiseröhrenmuskulatur erschalffende Therapien zur Anwendung kommen (langwirksame Nitrate, Calciumantagonisten, Botoxinjektion). Vorher müsen im Rahmen der Diagnostik natürlich noch andere (nicht-muskuläre) Ursachen eines Jackhammer ausgeschlossen werden.

Distaler Ösophagospasmus (DES)

Ein distaler Ösophagospasmus (DES) ist wie der Name schon sagt gekennzeichnet durch eine Speiseröhrenspastik. Kriterium hierfü ist das zu Frühe Einsetzen der Kontraktionen in der unteren Speiseröhre. Ehemals hatte man dieses Krankheitsbild als “diffusen Ösophagospasmus” angesprochen. Doch heute möchte man dem meistens in der unteren Speiseröhre (“distaler Ösophagus”) auftretenden Motilitätsproblem mit der Umbenennung Ausdruck verleihen.

Mit der Definition der Typ III Achalasie (Spasmodische Achalasie-Form) wird die Diagnose Distaler Ösophagospasmus seltener.

Morphologisches (Bildliches) Korrelat eines Distalen Ösophagospasmus kann ein sog. “Korkenzieherösophagus” sein.

Vollständiges Peristaltikversagen

Diese Motilitätstörung sieht eigentlich aus wie Achalasie. Allerdings fehlt ein entscheidendes Kriterien, nämlich die Erschlaffung des unteren Speiseröhrenschliemuskels erscheint zunächst nicht gestört. Dies kann mehrere Gründe haben: Entweder war es nicht gelungen den Messkatheter regelrecht bis in den Magen vorzuschieben. Oder es handelt sich beispielsweise um eine bereits vorbehandelte Achalasie, mit bereits durch irgendeine Therapiemaßnahme in den Normbereich gesenkten Druck im Schließmuskeln

Chicago Kategorie IV: Unspezifische Ösophagusmotilitätsstörungen

Hierbei handet es sich um Normvarianten der Motilität, die auch bei beschwerdefreien asymptomatischen Probanden gefunden werden. Dementsprechend haben sie meist keinen Krankheitswert.

Hierunter fällt auch die früher als “Dysmotilität” angesprochene Schwäche der Kontraktionsfunktion der Speiseröhre. Wegen einer solchen “Dysmotilität” hat man ehemals in der Antirefluxchirurgie einen sogenannten “Tailored Approach” propagiert. Demgemäss sollte eine Vollmanschette (Nissen) bei normaler Motilität gewählt werden. Hingegen bei Dysmotilität sollte der Teilmanschette (Toupet) der Vorrang gegeben werden.

Dieses Konzept ist eigentlich lange verlassen worden und es ist heute bekannt, dass der Nebenwirkungsärmeren Toupet-Fundoplikatio der Vorzug gegeben werden sollte (siehe Manschettenwahl).

Literatur/ References

Kahrilas PJ, Bredenoord AJ, Fox M, Gyawali CP, Roman S, Smout AJ, Pandolfino JE; International High Resolution Manometry Working Group.The Chicago Classification of esophageal motility disorders, v3.0. Neurogastroenterol Motil. 2015 Feb;27(2):160-74.