Hintergrund

Die Langzeiteinnahme von Säureblockern (PPI), wie sie von der aktuell gültigen Leitlinie zur Behandlung der Refluxkrankheit empfohlen wird (Koop et al., 2014, Z Gastroenterol), wurde ehemals als völlig unbedenklich angesehen. Auch jetzt gilt die Dauereinnahme von PPI als unbedenklich. Trotzdem mehren sich die Beriche über Nebenwirkungen der PPI. Relativ neu sind Publikationen, die einen möglichen Zusammenhang der PPI Einnahme mit der Entwicklung einer Demenz.

Erste Studie zu Demenz durch PPI (AgeCoDE-Studie )

Die erste Studie über einen möglichen Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und Demenzentwicklung wurde im Jahr 2015 veröffentlicht. Frau Professor Britta Haenisch vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen hat im Jahr 2015 veröffentlicht. Die Publikation berichtet über Ergebnisse der “AgeCoDE-Studie”. Es handelt sich um eine longitudinale multizentrische Kohortenstudie, die in 2003 begonnen worden war. Nach einem standardisierten Auswahlprozess waren 3.327 Studienteilnehme aus einem einem Gesamtkollektiv von 22.701 Patienten mit einem Lebensalter über 75 Jahre ausgewählt worden. In 18-Monats-Intervallen waren die Patienten nachbeobachtet und hinsichtlich einer Demenzentwicklung untersucht worden. 713 Patienten hatten während der Studienperiode PPI eingenommen. Die PPI-Einnahme erhöhte das Risiko an einer Demenz zu erkranken 1,38fach.

Literaturstelle

Haenisch B, von Holt K, Wiese B, Prokein J, Lange C, Ernst A, Brettschneider C, König HH, Werle J, Weyerer S, Luppa M, Riedel-Heller SG, Fuchs A, Pentzek M, Weeg D, Bickel H, Broich K, Jessen F, Maier W, Scherer M. Risk of dementia in elderly patients with the use of proton pump inhibitors. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2015 Aug;265(5):419-28. doi: 10.1007/s00406-014-0554-0. Epub 2014 Oct 24.

Beobachtungsdaten Krankenkasse AOK

In einer 2016 veröffentlichten Arbeit von Gomm und Kollegen (2016, JAMA Neurology) sind 73.679 Studienteilnehmer mit Lebensalter über 75Jahre analysiert worden. Es handelte sich um Daten einer prospektiven Kohortenstudie mit zwischen 2004 und 2011 generierten Beobachtungsdaten der größten deutschen Krankenkasse AOK (Allgemeine Ortskrankenkasse). Im Verlauf hatten die 2.950 Patienten, die regelmässig eine PPI Medikation einnahmen ein statistisch signifikant erhöhtes Risik eine Demenz zu entwickeln, als die 70.723 Patienten ohne PPI-Medikation. Die PPI Einnahme vereineinhalbfachte das Risiko (HR=1,44).

Literturstelle

Gomm W, von Holt K, Thomé F, Broich K, Maier W, Fink A, Doblhammer G, Haenisch B. Association of Proton Pump Inhibitors With Risk of Dementia: A Pharmacoepidemiological Claims Data Analysis. JAMA Neurol. 2016 Apr;73(4):410-6. doi: 10.1001/jamaneurol.2015.4791.

Weitere Publikationen

In einer Studie von Herghelegiu et al. (2016, Farmacia) an 74 Patienten mit PPI Einnahme älter 64Jahre und 74 nach Alter gematchten Patienten ohne PPI Einnahme wurde ein 3,8fach erhöhtes Risiko für Demenz in der Gruppe mit PPI festgestellt.

Literaturstelle
Herghelegiu AM, Prada GI, Nacu R. Prolonged use of proton pomp inhibitors and cognitive function in older adults. Farmacia 2016; 64(2):262–7.

In einer Studie von Gray (2018, J Am Geriatr Soc) waren 3.484 über 65jährigen Patienten alle 2 Jahre hinsichtlich Demenzentwicklung untersucht worden. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit vom 7,5 Jahren war bei 827Studidienteilnehmern (23,7%) eine Demenz zu diagnostizieren. Die ebbenfalls in der Studie dokumentierte PPI Einnnahme war kein Risikofaktor für die Demenzentwicklung.


Gray SL, Walker RL, Dublin S, Yu O, Aiello Bowles EJ, Anderson ML, Crane PK, Larson EB. Proton Pump Inhibitor Use and Dementia Risk: Prospective Population-Based Study. J Am Geriatr Soc. 2018 Feb;66(2):247-253. doi: 10.1111/jgs.15073. Epub 2017 Nov 14.

Meta-Analyse Khan et al., 2020, Am J Gastroenterol

Muhammad Ali Khan und Kollegen von der Universität in Albama, haben die verfügbaren Publikationen zu PPI und Demenzentwicklung analysiert.

Eingeschlossen wurden insgesamt 11 Beobachtungsstudien (einschließlich der oben bereits zitierten Arbeiten von Haenisch et al., 2015 und Gomm et al., 2016).

Insgesamt wurde in dieser Arbeit in Summe kein statistischer Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und Demenz gefunden.

Literaturstelle:

  • Khan MA, Yuan Y, Iqbal U, Kamal S, Khan M, Khan Z, Lee WM, Howden CW. No Association Linking Short-Term Proton Pump Inhibitor Use to Dementia: Systematic Review and Meta-analysis of Observational Studies. Am J Gastroenterol. 2020 Jan 2. doi: 10.14309/ajg.0000000000000500. [Epub ahead of print] [PubMed]

“We found no evidence to support the proposed association between PPI use and an increased risk of dementia. PPI use among patients who have a valid indication for it, should not be curtailed because of concerns about dementia risk.”

Interessenkonflikte der Autoren

  • Howden CW consultant for Phathom,Ironwood, RedHill, Biopharma, ISOThrive, and Otsuka.

Meta-Analyse Li et al., 2019, Medicine

Eine Studie von Li et al. (2019) Medicine hat insgesamt 6 Kohortenstudien in die Analyse eingeschlossen.

Auch in dieser Arbeit wurde kein statistisch signifikantes Risiko der PPI Einnahme hinsichtlich Demenzentwicklung aufgezeigt.

Literaturstelle:

Li M, Luo Z, Yu S, Tang Z. Proton pump inhibitor use and risk of dementia: Systematic review and meta-analysis. Medicine (Baltimore). 2019 Feb;98(7):e14422. doi: 10.1097/MD.0000000000014422.

This meta-analysis suggests that there was no statistical association between PPIs use and increased risk of dementia or AD.”

Studie von Song et al., 2019, PLOS One

Song YQ, Li Y, Zhang SL, Gao J, Feng SY. Proton pump inhibitor use does not increase dementia and Alzheimer’s disease risk: An updated meta-analysis of published studies involving 642305 patients. PLoS One. 2019 Jul 2;14(7):e0219213. doi: 10.1371/journal.pone.0219213. eCollection 2019.

“The current evidence indicates that PPI use does not increase dementia and AD risk. The remarkable heterogeneity among the studies warrants a further review of our findings.”

In der Studie von Zhang et al. (2019, Eur J Clin Pharmacol) …
Zhang Y, Liang M, Sun C, Song EJ, Cheng C, Shi T, Min M, Sun Y. Proton pump inhibitors use and dementia risk: a meta-analysis of cohort studies. Eur J Clin Pharmacol. 2019 Nov 21. doi: 10.1007/s00228-019-02753-7. [Epub ahead of print]


“The overall result of this meta-analysis supports the hypothesis that proton pump inhibitors increase the risk of dementia. Furthermore, high-quality cohort studies are needed to confirm these findings.”

In die Studie von Hussain (2019) waren insgesamt 12 Studien eingeschlassen worden (8 Kohoortenstudien und 4 Fallkontrollstudien. In dieser Arbeit ist kein signifikantes Risiko einer PPI-Einnahme für Demenzentwicklung aufgezeigt worden.


Hussain S, Singh A, Zameer S, Jamali MC, Baxi H, Rahman SO, Alam M, Altamish M, Singh AK, Anil D, Hussain MS, Ahmad A, Najmi AK. No association between proton pump inhibitor use and risk of dementia: Evidence from a meta-analysis. J Gastroenterol Hepatol. 2019 Jul 23. doi: 10.1111/jgh.14789. [Epub ahead of print]

“We found no significant association between PPI use and the risk of dementia or Alzheimer’s disease.”

Literatur

  • Koop H, Fuchs KH, Labenz J, Lynen Jansen P, Messmann H, Miehlke S, Schepp W, Wenzl TG; Mitarbeiter der Leitliniengruppe. [S2k guideline: gastroesophageal reflux disease guided by the German Society of Gastroenterology: AWMF register no. 021-013]. Z Gastroenterol. 2014 Nov;52(11):1299-346. [PubMed] [Volltext zum Download bei der DGVS]
  • von Rahden BHA, Scheurlen M, Filser J, Stein HJ, Germer CT. Neu erkannte Nebenwirkungen von Protonenpumpeninhibitoren. Argumente Pro Fundoplicatio bei GERD?Chirurg. 2012 Jan;83(1):38-44. doi: 10.1007/s00104-011-2173-x. [Englische Zusammenfassung] [Webseite des Verlages]