Trends in der Chirurgie des Dickdarmkrebs …
… einerseits zur Minimal-invasisiven Chirurgie
Der Trend in der Chirurgie bei bösartigen Tumoren, wie dem Darmkrebs, geht einerseits zur minimal-invasiven Operationstechnik (laparoskopische Chirurgie, Schlüssellochchirurgie), weg von der offenen Operation (Bauchschnitt).
Die Befürworter dieses Vorgehens mit Minimierung des Zugangsweges gehen davon aus, dass mit diesem Verfahren die gleiche erforderliche “Radikalität” der Tumorentfernung erzielt werden kann.
…andereseits zu einer noch ausgedehnteren (“radikaleren”) offenen Chirurgie
Ein anderer Trend bei der Operation des Kolonkarzinoms geht zu einer ausgedehnteren, “radikaleren” Operationsweise. Bei dieser Technik wird auf eine möglichst große Lymphknoten-“Ausbeute” Wert gelegt. Das Fachwort dieser Technik nennt sich “komplette mesocolische Excision” (=complete mesoclic excision, CME).
CME bedeutet, dass man nach “zentral”, an den großen den Dickdarm versorgenden Gefäßen, alle Lymphknoten mitentfernt. Die Gefäße werden hierbei sehr akkurat freigelegt. Dies ist die ergiebigste Methode um alle potentiell tumorbefallenen Lymphknoten mit zu entfernen. Daten belgen jetzt, dass dies Operationsverfahren auch hinsichtlich der Heiliungsschancen überlegen ist (s.u.).
Der Chirurg “wagt” etwas für den Patienten
Allerdings kann eine radikalere Operationstechnik auch mit etwas mehr Komplikationen behaftet sein. Aktuelle Daten und eigene Erfahrung zeigen allerdings, dass die CME sehr gut und ohne erhöhte Komplikationsrate möglich ist.
Ziel der chirurgischen Therapie eines Kolonkarzinoms sind:
- die Entfernung des Tumors zusammen mit dem tumortragenden Organ (beim Dickdarmkrebs rechter oder linker Dickdarmabschnitt)
- mit dem erforderlichen Sicherheitsabstand – der Tumor darf nicht an die Absetzungkante heranreichen
- “vollständig im Gesunden” (was als “R0-Resektion” bezeichnet wird), das heißt auch mikroskopisch (der Pathologe schaut das Präparat unter dem Mikroskop an) keine Tumorreste im Körper verblieben sein dürfen.
- und Mitentfernung aller angrenzender Lymphknoten
Aktuelle Studie zur laparoskopischen versus offenen Operation beim Darmkrebs
Es gibt jetzt eine neue Analyse einer Registerdatenbank der (Deutschen Gesellschaft für Allgemein und Viszeralchirurgie, DGAV) zu Operationen bei Dickdarmkarzinomen (Jurowich, 2019, PLOS One]: Verglichen wurde in der von Jurowich und Kollegen publizierten Studie das minimal-invasive Vorgehen (laparoskopische Operation) mit der offenen Operation (Bauchschnitt).
Insgesamt 4.997 Patienten wurden in die Untersuchung eingeschlossen. 4.062 dieser Patienten (81.3%) hatten eine offene, 935 (18.7%) eine laparoskopische Operation erhalten.
Ergebnisse
- Der Krankenhausaufenthalt nach der laparoskopischen Operation war kürzer (statistisch signifikant).
- Die Operationszeit bei der laparoskopischen Operation war länger (statistisch signifikant).
- Mit der laparoskopischen Operation wurden weniger Lymphnoten entfernt.
- Die Art der Operationsverfahrens (laparoskopisch versus offen) hatte keinen Einfluss auf die Komplikationen. Diese hingen ab vom allgemeinen Erkrankungsstatus der Patienten (ASA-Score), der Erkrankungsalter (ältere PAtienten mehr Komplikationen und dem Übergewicht (Patienten mit höherem BMI mehr Komplikationen).
Bewertung:
Es wurden keine Vorteile des laparoskopischen (minimal-invasiven) Vorgehens gefunden. Die Bedeutung der geringeren Ausbeute von Lymphknoten bei der minimal-invasiven Operation bleibt abzuwarten. Weitere Studien müssen zeigen, ob hieraus ein schlechteres Überleben für die Patienten resultiert.
Die radikalere offene Operation führt zu einer höheren Heilungsrate nach 5 Jahren
Eine andere aktuelle hochrangig in der Zeitschrift LANCET ONCOLOGY publizierte Arbeit bereichtet über die 5-Jahres-Ergebnisse nach operativer Therapie eines Dickdarmkrebses (Bertelsen et al., 2019).
Studiendesign
In die Bevölkerungs-basierte Studie in Dänemark waren 1069 Patienten eingeschlossen worden, die zwischen Juni 2008 und Dezember 2013 wegen eines rechtsseitigen Dickdarmkrebses operiert worden waren. 256 Patienten hatten in einem spezialisierten Zentrum die radikalere Operation mit “CME” und damit ausgedehnterer Lymphknotenentfernung erhalten. Die Kontrollgruppe besteht aus 813 Patietenm, bei denen eine weniger radikale Operation mitweniger ausgedehnter Lymphadenektomie durchgeführt worden war.
Weniger Wiederauftreten (Rezidive) mit der radikaleren Operation
Die Rate des Wiederauftretens der Dickdarmkrebses nach 5,2 Jahren Nachbeobachtungszeit betrug 9,7% in der radikal operierten (“CME”)-Gruppe und 17,9% in der konventionell operierten Gruppe.
Das Risiko für das Rezidiv wurde durch die besser OP-TEchnik um 8,2% vermindert
Auch das Überleben war besser in der Gruppe der radikal operierten (“CME”)-Patienten.
Intepretation:
Die Studie ist ein Hinweis dass die radikalere Operation mit akkurater Lymphknotenentfernung zu besseren onkologischeren Ergebnissen, mit besserer komletterer Entferung von Lymphknten und besserem Langzeitüberleben (Heilungsrate nach 5 Jahren) führt.
Fragen Sie Ihren Operateur, wenn Sie an einem Dickdarmkrebs operiert werden sollen:
- welches Operationsverfahren angewendet werden soll (minimal-invasiv oder offen)
- ob der Chirurg die CME anwendet
- wie viele Lymphknoten im Durchschnitt entfernt werden
- wieviele Eingriffe in dem Krankenhaus und pro Operateur durchgeführt werden
Holen Sie sich im Zweifel eine Zweitmeinung ein!
Literatur
- Jurowich C, Lichthardt S, Kastner C, Haubitz I, Prock A, Filser J, Germer CT, Wiegering A. Laparoscopic versus open right hemicolectomy in colon carcinoma: A propensity score analysis of the DGAV StuDoQ|ColonCancer registry. PLoS One. 2019 Jun 27;14(6):e0218829. [PubMed] [Frei verfügbarer Volltext]
- Bertelsen CA, Neuenschwander AU, Jansen JE, Tenma JR, Wilhelmsen M, Kirkegaard-Klitbo A, Iversen ER, Bols B, Ingeholm P, Rasmussen LA, Jepsen LV, Born PW, Kristensen B, Kleif J. 5-year outcome after complete mesocolic excision for right-sided colon cancer: a population-based cohort study. Lancet Oncol. 2019 Nov;20(11):1556-1565. [PubMed]