Die Colitis ulcerosa (= engl. “ulcerative colitis”) gehört zu den sogenannten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED).

(Wichtig – und manchmal schwierig – ist die Abgrenzung zum verwandten Morbus Crohn = Crohn-Krankheit, die ebenfalls eine CED ist.)

Begriffserklärungen

Colitis

Der Begriff “Colitis” besagt, dass es sich um eine Entzündung des Colon, also des Dickdarmes, handelt. Dieser Entzündungsprozess beginnt immer im Enddarm (Proktitis) und reicht unterschiedlich weit in den den Dickdarm hinauf. Am ungünstigsten ist es, wenn der gesamte Dickdarm betroffen ist (sog. Pankolitis). Es gibt aber auch extraintestinale Krankheitsmanifestationen (Erkrankungserscheinungen außerhalb vom Darm). Im Verlauf der Erkrankung kann in der Entzündung ein Karzinom (Dickdarmkrebs – sog. “Colitis-assoziiertes Karzinom“) entstehen.

(Im Unterschied dazu betrifft die verwandte Erkrankung, der Morbus Crohn in erster Linie das Ende vom Dünndarmes (sog. terminales Ileum), und ist also zunächsteinmal eine Dünndarmerkrankung. Allerdings kann die Crohn-Erkrankung auch alle anderen Orte im gesamten Gastrointestinaltrakt (vom Mund bis zum Anus) betreffen. Und es gibt auch eine sog. Crohn-Kolitis – also einen Dickdarmbefall beim Morbus Crohn, was wiederum die Abgrenzung der beiden Erkrankungen schwierig macht.).

“ulcerosa”

“ulcerosa” bedeutet soviel wie “Geschwüre bildend”. Dies drückt aus, dass es sich um einen auf die Schleimhaut bezogenen, dort entzündliche “Geschwüre” bildenden Prozess handelt. Anders formuliert bedeutet dies: Es entstehen Löcher/ Defekte in der Schleimhaut des Dickdarmes.

(Im Gegensatz dazu werden beim Morbus Crohn Fistelgänge ausgebildet. Patienten mit Morbus Crohn können Fistelgänge zwischen Darmschlingen, zur Blase oder auch am Anus erleiden – So etwas kommt bei der Colitis ulcerosa normalerweise nicht vor.).

“Chronisch”

Chronisch bedeutet einerseits, dass die Erkrankung meist nicht akut (schlagartig) auftritt, und andererseits, dass die Erkrankung nicht so ohne Weiteres durch eine (medikamentöse) Therapie zu beseitigen ist.

Heilung der Colitis ulcerosa

Es gibt allerdings eine Maßnahme mit der die Colitis ulcerosa geheilt werden kann: Durch die Kolektomie (operative Entfernung des Dickdarmes) lässt sich das betroffene Organ entfernen und damit auch die Erkankung beseitigen und der Patient heilen. Dieser Eingriff kann heute minimal-invasiv und auch mit Hilfe des Operationsroboters (DaVinci) vorgenommen werden.

(Im Unterschied dazu ist der Morbus Crohn nicht durch Chirurgie heilbar, da sich diese Erkrankung auf den gesamten Magen-Darm-Trakt beziehen kann. Der Stellenwert der Chirurgie beim Morbus Crohn wird an anderer Stelle besprochen. Prinzipiell muss hier immer möglichst “darmsparend” operiert werden.)

Der richtige Zeitpunkt für die Operation darf nicht verpasst werden!

Wichtig ist, dass der richtige Zeitpunkt für die Operation nicht verpasst wird. Dies ist aus folgenden Gründen wichtig:

  • inbesondere wenn der vollständige Dickdarm vom Entzündungsprozess betroffen ist (Pankolitis) besteht ein hohes Risiko an einem Dickdarmkrebs zu erkranken.
  • Das Risiko für Dickdarmkrebs steigt mit der Dauer der Erkrankung!
  • Außerhalb des Dickdarms gelegene Krankheitsmanifestationen lassen sich durch die Kolektomie nicht mehr zurückbilden

“Zu spät kommen” ist Risiko einer organerhaltenden Strategie

Es ist wichtig, dass die Risikofaktoren für einen Darmkrebs berücksichtigt werden, um rechtzeitig die Indikation zur Operation zu stellen. Ziel ist es möglichst nicht zu spät zu kommen. Eine organ-erhaltende Medikamentöse Therapie birgt natürlich dieses Risiko. “Zu spät kommen” ist das Risiko einer zu spät in Betracht gezogenen operativen Therapie.

Fallbeispiel: Ein 55jähriger Patient wird fast 30 Jahren (ED 1991) in regelmäßigen Abständen (anfangs alle 2 bis 4 Jahre, zuletzt im jährlich Rhythmus( mit Dickdarmspiegelung (Koloskopie) und Probenentnahme aus dem Dickdarm überwacht. Zwischenzeitlich hat der Patient bereits eine sog. Sklerosierende Cholangitis (Entzündung der Gallenwege in der Leber als Begeleiterscheiung der Colitis ulcerosa entwickelt). In 2019 wird dann in der aktuellen Koloskopie ein fortgeschrittenere Dickdarmkrebs in der Colitis ulcerosa festgestellt. Der Chirurg kann nun nicht mehr einfach nur den Dickdarmschlauch entfernen, sondern er muss eine radikale onkologische Operation durchführen. Das heißt die den Darm versorgenden Gefässe müssen zentral abgesetzt werden und die angrenzenden Lymphknoten mit entfernt werden. Der Pathologe bestätigt in der feingeweblichen Untersuchung (Histologie) den fortgeschrittenen Tumor und findet auch zahlreiche Lymphknotenmetastasen. Wegen der Lymphknotenbeteiligung ist jetzt auch noch eine Chemotherapie erforderlich.

Die Überwachungsstragie hat hier versagt. Durch eine rechtzeitigere Zuweisung zum Chirurgen hätte hier höchstwahrscheinlich die Krebserkrankung verhindert werden können.

Patienten mit Colitis ulcerosa sollten …

  • ihr Risiko für die Entwickelung eines Dickdarmkrebs einschätzen lassen durch Bewertung individueller Risikofaktoren
  • die Qualität der Endoskopie und der feingeweblichen Untersuchungen (Histologie) prüfen lassen – Genügen die Untersuchungen, die ich erhalte, den leitliniengerechten Qualitätskriterien?
  • sich in Spezialambulanzen für CED und von mit diesen Erkrankungen vertrauten Experten behandeln und beraten lassen
  • sich bei Studienteilnahme immer auch die Finanzierung der Studie erläutern lassen
  • konkret nach der operativen Therapieoption und dem richtigen OP-Zeitpunkt fragen

Holen Sie eine Zweitmeinung ein!

Eine Zweitmeinung einzuholen ist bei derart wichtigen Fragen, wie der nach der Indikation zur Operation bei der Colitis ulcerosa, immer sinnvoll.

Typischerweise unterscheidet sich die Sichtweise von eher auf die konservative Therapie fokussierten Gastroenterologen und Endoskopikern, von der Sichtweise des Chirurgen.

Konservative Behandler

Konservative Behandler betrachten die Zuweisung zur Operation als “Niederlage”. Studien definierne oft den Negativ-Endpunkt “Kolektomie”, was dann als Versagen des Medikamentes angesehen wird. Gemessen wird in Studien das Kolektomie-freie Intervall – Also: Wie lange schafft man es, den Patienten vor der Operation zu “bewahren”. Der Wunsch eine medikamentöse Therapie zu propagieren kann hier zu einer Verzögerung der Indikationsstellung zur Operation führen. Derartige Formen der “Verzerrung” (Bias) dürfen kritisch betrachtet werden.

Der Chirurg

Der Chirurg ist darauf angewiesen, dass der Patient rechtzeitig für die Operation zugewiesen wird, damit eine funktionell orientierte Operation mit möglichst gutem funktionellem Ergebnis (Lebensqualität für den Patienten) durchgeführt und eine onkologische Radikaloperation zur Krebstherapie möglichst vermieden werden kann. Die Sichtweise des Chirurgen ist natürlich dadurch verzerrt, daß ihm bekannt ist, daß durch die Operation sichere Heilung der Erkrankung und sicher Prävention des Karzinoms möglich ist. Demgegenüber muß das operative Risiko (Nutzen-Risiko-Abwägung) bewertet werden.

Zahlreiche unterschiedliche Indikationen für die operative Therapie der Colitis ulcerosa müssen unterschieden werden. Dies wird auch durch die Empfehlungen (Statements) der aktuell gültigen deutssprachigen Colitis ulcerosa Leitlinie unterstützt.

Literatur / References

Übersichtsarbeit “Ulcerative Colitis” im LANCET

Ungaro R, Mehandru S, Allen PB, Peyrin-Biroulet L, Colombel JF (2017) Ulcerative colitis. Lancet. 2017 Apr 29;389(10080):1756-1770. doi: 10.1016/S0140-6736(16)32126-2. [PubMed]

Aktualisierte deutssprachige Leitlinie (DGVS) 2018

Kucharzik T, Dignass AU, Atreya R et al., (2018) Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) AWMF-Register-Nr. 021/009. Z Gastroenterol 56: 1087–1169 [Engl. Abstract bei PubMed] [Frei zum Download verfügbarer Volltext bei DGVS]